Station 2 Okuli - Augen auf!

Okuli -Gottesdienst zum Weltgebetstag- Was haben die Blankenburger Rieselfelder mit der Bewahrung der Schöpfung zu tun?

Achtlos gehen wir an Relikten einer vergangenen Zeit vorüber, dem Beginn des industriellen Zeitalters. Bis 1870 wurden die Abwässer Berlins durch die Rinnsteine abgeleitet. Gestank und Seuchen waren die Folge. Die Verrieselung auf großen Flächen weit vor der Stadt mit gleichzeitiger landwirtschaftlicher Nutzung war ein Fortschritt. Ein letztes Relikt finden sie hier

Doch mit der Zeit wurden immer mehr Fabrikabwässer auf die Rieselfelder gebracht, Schadstoffkonzentration erhöhte sich drastisch. Die Böden verdichteten sich, versauerten und die Bodenlebewesen konnten sich nicht mehr entwickeln.

Der Fortschritt der Vergangenheit wurde zum Problem der Gegenwart. Diese Probleme sind besonders fühlbar im Vanuatu, einem Pazifikstaat, der vom steigenden Meeresspiegel bedroht ist. Die Liturgie für den Weltgebetstag 2021 haben Frauen aus Vanuatu vorbereitet.

Hier sehen Sie das Video zum Weltgebetstag

Die Blankenburger Rieselfelderwirtschaft

Rieselfelder - eine Errungenschaft ohne Zukunft

 Um 1870 lebten in Berlin fast 1 Million Menschen. Die Entsorgung ihrer „Hinterlassenschaften“ erfolgte meist über den Rinnstein oder direkt in die Kanäle und Flüsse. Die Folgen waren verheerend: der Gestank, der durch die Stadt zog, und als Folge des verunreinigten Wassers Epidemien. 

Die Gründerjahre zogen Scharen von Menschen in die Großstadt. Nach langen politischen Auseinandersetzungen entschloss man sich 1873 zum Ausbau der Kanalisation. 1868 wies der Virologe Virchow auf den dringenden Ausbau der Kanalisation in einem Gutachten hin. Der Stadtbaurat James Hobrecht organisierte ab 1885 die Einführung der Stadtentwässerung. Schon kurze Zeit danach sank die Zahl der Typhuserkrankungen von 10 auf 3 / 10000 Einwohner. 1887 waren schon 1, 15 Mio. Einwohner an das Rieselfeldsystem angeschlossen. Die Abwassermenge betrug 42 Mio. m3/ Jahr. Berlin besaß Verrieselungsflächen in der Größe von 14364 ha. Die Stadt hatte Land aufgekauft. Oft waren es sandige, nährstoffarme Böden, die im Sommer unter Wassermangel litten. Die Eigentümer waren froh, einen guten Verkaufspreis zu erzielen. 

Mit der zunehmenden Industrialisierung nahm der Anteil an Industrieabwässern zu und damit der Eintrag von Schwermetallen und organischen Stoffen. 1926 waren es schon 7,3% der gesamten Verrieselungsmenge.

Die letzten Berliner Rieselfelder wurden erst in den 80ger Jahren des 20. Jahrhunderts stillgelegt, nachdem Klärwerke ihre Funktion übernommen hatten.

Wie funktionieren Rieselfelder?

Es war eine technische Meisterleistung. Berlin wurde in 12 Radialsysteme geteilt. Jedes Radialsystem endete in einem Pumpwerk. Noch heute können wir einige, in ihrer Architektur bedeutende, besichtigen.  Durch Druckrohre mit bis zu 1,2m Durchmesser gelangten die Abwässer zu den Rieselfeldern am Stadtrand. Dort übernahmen Standrohre den Druckausgleich. Die Abwässer wurden in Absetzbecken geleitet. Nachdem sich die Feststoffe abgesetzt hatten, wurde das vorgeklärte Wasser in Rieselstücke von ca. 0,25 ha, die in Galerien bis zu 2,5 ha aneinandergereiht waren, geleitet. Man machte sich die Eigenschaften des Bodens zunutze, Partikel herausfiltern zu können sowie Schadstoffe zu binden. Pflanzen nehmen die Schadstoffe in gelöster Form auf. Das Wasser sammelte sich in sogenannten Vorflutgräben und wurde in die Flüsse und Kanale geleitet.

Folgen der Rieselfelder für die Umwelt

Von Beginn der Verrieselung an wurden die Felder landwirtschaftlich genutzt. Die Flächen für Wintergerste wurden z. B nur einmal berieselt, die für Gemüse deutlich öfter: 4- 6 Mal im Jahr.

Wintergerste

1

Herbst

100- 500 mm

Furche

Sommergetreide

2

Winter

200 1000 mm

Furche

Kartoffeln

2

Winter

200-1000 mm

Furche

Rüben

4-6

Winter/ Sommer

400- 3000 mm

Furche

Gemüse

4-6

Frühjahr

400- 3000 mm

Furche

Gras

4-8

ganzjährig

400- 4000 mm

Einstau

Die Abwässer brachten erhebliche Düngermengen auf das Land: Kalium, Phosphat, Stickstoff, davon 30 % als leicht von den Pflanzen aufnehmbares Nitrat. Die Humusschicht wuchs.

Die anfängliche Euphorie über gute Erträge wich in den 20-ger Jahren der Ernüchterung: man sprach von “Rieselmüdigkeit“. Die Flächen waren überdüngt, die Speicherfähigkeit des Bodens überschritten. Der Fettgehalt der Böden betrug im Trockenschlamm teilweise bis zu 13 %. Durch Kalkung versuchte man, der Sache Herr zu werden.  In Blankenburg und Malchow verstopften „Abwasserpilze“ (Bakterienkolonien) die Abflüsse, ein Zeichen der Übernutzung.

Durch die Menge der Industrieabwässer gelangten Schwermetalle und organische Verbindungen in die Böden. Noch heute überschreitet der Gehalt an Schwermetallen überschreitet die heutigen Grenzwerte in den Bodenlösungen. Organische Stoffe sind bis 1,5 m tief nachweisbar.

Das Ende der Rieselfelder

Mit dem Bau von Kläranlagen wurden die Rieselfelder stillgelegt. Keine einfache Aufgabe, die Flächen zu sanieren.In Malchow/ Blankenburg kam das Ende 1968.

Mit einem einfachen Einebnen der Rieseltafeln ist es nicht getan. Im Berliner Umland mussten und müssen ca. 12 000 ha ökonomisch effektiv und ökologisch verantwortbar saniert werden.

Vorbei ist die Zeit, in der die Rieselfelder der Obst- und Gemüsegarten Berlins waren.

Allein das Stadtgut Malchow verfügte über 22 800 Apfel- und 5 500 Birnenbäume, 1924 34,5 t Äpfel und 1212,5 t Birnen lieferten, dazu Kürbisse, Erdbeeren, Himbeeren…..

Eine typische Flächennutzung bis 1945 war der Anbau von Wintergetreide, Mais und Kartoffeln. Hier lag der Ertrag weit unter dem der nicht berieselten Flächen. Gemüse (Kohl, Bohnen, Erbsen, Gurken) erhielten vier bis 6 Berieselungen, angebaut auf 1 m breiten Dämmen zwischen den Berieselungsfurchen. Der Anbau von nicht winterharten Gräsern erlaubte sogar bis zu 8 Berieselungen, da im Frühjahr gepflügt und neu eingesät werden konnte. Das wirkte der „Rieselmüdigkeit“ entgegen.

Rieselfelder von 1886 bis 1969 – eine lange Zeit, in der der Fortschritt der vergangenen Zeit uns ein Erbe hinterlassen hat, das unserer Umwelt einen Schaden zugefügt hat.

Welches Erbe hinterlassen wir?